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ADB:Friedrich August I. (Kurfürst von Sachsen)

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Artikel „Friedrich August I., Kurfürst von Sachsen“ von Heinrich Theodor Flathe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 781–784, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Friedrich_August_I._(Kurf%C3%BCrst_von_Sachsen)&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 15:00 Uhr UTC)
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Friedrich August I., Kurfürst von Sachsen, als König von Polen August II., geboren den 12. Mai 1670, als jüngerer Sohn des Kurfürsten Johann Georgs III., ein Fürst von nicht gewöhnlichen Geistesgaben und einer herculischen Körperkraft, die ihm den Beinamen des Starken eingetragen hat, aber beide vergeudete er in unbändiger Sinnlichkeit, die schon auf der von ihm als Prinz unternommenen großen Cavaliertour durch Südeuropa in wilden Liebesabenteuern Befriedigung suchte. Durch den kinderlosen Tod seines Bruders, des Kurfürsten Johann Georgs IV., 1694 zur Regierung berufen, trat er [782] der großen Allianz gegen Frankreich bei, übernahm aber, um nicht unter dem Markgrafen von Baden dienen zu müssen, lieber den Oberbefehl gegen die Türken in Ungarn, legte denselben jedoch nach mehrfachen Beweisen seiner Unfähigkeit zum Feldherrn 1696 wieder nieder. Dagegen trieb ihn seine Eitelkeit, sowie das Beispiel Friedrichs III. von Brandenburg, der an der Erhebung Preußens zu einem Königreiche arbeitete, als Bewerber um den erledigten polnischen Thron aufzutreten. Das Hinderniß seines protestantischen Glaubens wurde beseitigt, indem er am 1. Juni 1697 zu Baden bei Wien unter Vermittlung seines Vetters Christian August zu Sachsen-Zeitz, Bischofs von Raab, zur katholischen Kirche übertrat, deren prächtiger Cultus, verbunden mit der laxen Moral der Jesuiten, ohnehin eine mächtige Anziehungskraft auf ihn übten, und obgleich die Majorität der Polen den Prinzen von Conti gewählt hatte, wurde F. von einer durch seinen Abgesandten v. Flemming gewonnenen Minorität als König proclamirt; F. eilte hierauf in Person herbei, ließ sich, nachdem er die demüthigenden Pacta conventa beschworen, zu Krakau am 5./15. September mit unermeßlicher Pracht krönen und verschaffte sich theils mit Hülfe sächsischer Truppen, theils durch Bestechungen nach und nach die allgemeine Anerkennung. Tiefe Trauer rief Friedrich Augusts Apostasie in Sachsen hervor. Seine ohnehin durch fortgesetzte Verletzungen der ehelichen Treue von ihm gekränkte Gemahlin Christiane Eberhardine (von Baireuth), eine eifrige Protestantin, weigerte sich anfangs den königlichen Titel anzunehmen und zog sich, alle Bekehrungsversuche von sich weisend, nach Pretzsch bei Wittenberg zurück, wo sie am 5. Sept. 1727 starb. Seinen Unterthanen gab zwar F. von Lobskowa am 27. Juli und von Krakau aus am 29. September die feierliche Erklärung, daß sein Glaubenswechsel ein rein persönlicher sei und ihre Gewissensfreiheit in keiner Weise angetastet werden solle; daß er sich aber in Wahrheit und bewußtermaßen zum Werkzeuge der katholischen Propaganda hergab, bewies zuerst seine Weisung an den sächsischen Gesandten am Reichstag, durch welche er den Protest gegen die ryswicker Clausel unwirksam machte, sodann die Ernennung des Fürsten von Fürstenberg, eines Katholiken und Ausländers, zum Statthalter von Sachsen zu dem doppelten Zwecke, die Ausbreitung des Katholicismus daselbst zu fördern und die der souveränen Willkür hinderlichen Schranken der Landesverfassung zu beseitigen. Der Einrichtung katholischen Gottesdienstes erst in Moritzburg, dann in Dresden selbst folgte die halb erzwungene Conversion des Kurprinzen, durch die Errichtung des Geheimen Cabinets wurde das alte Mitregiment der Stände in enge Grenzen gewiesen. Nicht minder verhängnißvoll wurde die polnische Krone dadurch, daß sie Friedrich Augusts Theilnahme am nordischen Kriege veranlaßte. Obgleich von der Abneigung der Polen gegen einen Angriff auf Schweden unterrichtet, schloß er, getrieben von dem eiteln und unreifen Wunsche, durch Eroberung von Livland sich auf seinem Throne zu befestigen und seine sächsischen Truppen, deren Entfernung der Reichstag verlangte, in Polen behalten zu können, am 11./21. November 1699 als Kurfürst von Sachsen mit Czar Peter ein Bündniß gegen Schweden und versicherte sich der Neutralität Brandenburgs durch Anerkennung der preußischen Königswürde am 2. November 1700. Die Leichtfertigkeit, mit der sich F. in den Krieg stürzte, wurde nur durch den Unverstand übertroffen, mit dem er ihn führte. Die Verwahrlosung des sächsischen Heeres, der Leichtsinn des Königs, der auch durch die schwersten Unfälle sich nicht in seinen Orgien stören ließ, und gleichzeitig einen Theil seiner Truppen dem Kaiser zum Krieg gegen Frankreich vermiethete, die Weigerung der Polen, ihn in dem eigenmächtig unternommenen Kriege zu unterstützen und ihr begründeter Argwohn, daß F. sich des russischen Beistandes auch gegen die Freiheit Polens zu bedienen beabsichtige, machten einen unglücklichen Ausgang [783] unvermeidlich. Nach der Niederlage der Sachsen bei Clissow, 19. Juli 1702, wurde F. durch eine Generalconföderation am 14. Febr. 1704 des Thrones für verlustig erklärt; die Aufhebung der Prinzen Sobieski zwischen Ohlau und Breslau befreite ihn zwar für den Augenblick von gefährlichen Prätendenten, aber am 2. Mai wurde seine Entthronung öffentlich bekannt gemacht, am 12. Juli Stanislaus Leszinski unter dem Schutz der schwedischen Waffen zum König gewählt und nur die Planlosigkeit, mit der Karl XII. den Krieg führte, gestattete ihm, sich auch nach der Niederlage bei Punitz, 7. November, noch in einem Theil von Polen zu behaupten. Einen Augenblick dachte der entmuthigte König an Verzicht auf den polnischen Thron, aber bald gelang es Patkul, dem Hauptanstifter des Kriegs, ihn beim Bunde mit Rußland festzuhalten, der November 1705 zu Grodno erneuert wurde. Doch ließ es F., des lästigen Mahners überdrüssig, unbeanstandet geschehen, daß Patkul, damals russischer Gesandter in Dresden, auf Anstiften seiner dortigen Feinde plötzlich verhaftet und auf den Königstein gebracht wurde. Der Einbruch Karls XII., der die Sachsen abermals bei Fraustadt am 13. Februar 1706 aufs Haupt geschlagen hatte, in sein Erbland nöthigte ihn endlich, im Frieden zu Altranstädt, 24. September, auf den polnischen Thron zu verzichten. Nachdem er sich dem Bereiche der über den Frieden erzürnten Russen entzogen, hatte er am 17. December mit dem Sieger eine persönliche Zusammenkunft zu Gunthersdorf, ohne eine Milderung der harten Bedingungen erreichen zu können; selbst die bedungene Auslieferung Patkul’s wurde vollzogen. Gefühllos gegen das Elend seines Landes unterbrach F. selbst jetzt den Taumel seiner Vergnügungen nicht einen Augenblick. Nachdem er 9000 mit Gewalt zum Dienst gepreßte Landeskinder an die Seemächte vermiethet hatte, folgte er denselben 1708 in Person in die Niederlande, aber nur, um den Freuden des Feldlagers und den Genüssen Brüssels zu leben. Den Altranstädter Frieden aufrichtig zu halten, war F. nie gesonnen gewesen. Bereits am 28. Juni 1709 hatte er die Allianz mit Dänemark erneuert; die Schlacht bei Pultawa gab ihm den Muth, sich offen, in einem Manifest vom 8. October, von dem Frieden loszusagen; die Unterhändler desselben, Pfingsten und Imhoff, wurden wegen angeblicher Ueberschreitung ihrer Vollmacht zur Rechenschaft gezogen. An der Spitze seines Heeres zog F. zur Wiedereroberung des polnischen Thrones aus, erneuerte in Thorn persönlich das Bündniß mit dem Czaren, fiel, nachdem Karl XII. das Haager Concert verworfen hatte, in Schwedisch-Pommern ein und schloß mit Dänemark und Rußland einen Vertrag über die Theilung der schwedisch-deutschen Länder; aber auch die Früchte dieses Feldzuges gingen durch die in Polen ausbrechende Zerrüttung wieder verloren. Friedrich Augusts deutlich hervortretendes Streben, ein absolutes Regiment aufzurichten, entzündete daselbst 1715 einen erbitterten Kampf, der Czar warf sich zum Vertheidiger der adlichen Freiheit auf und um ferneren Vergewaltigungen vorzubeugen, mußte der König 1717 versprechen, nie mehr als 18000 Mann Truppen zu halten, die, unabhängig von ihm, nur unter dem Reichstage stehen sollten. Doch gab F. deshalb den Gedanken, die Erblichmachung des polnischen Thrones zu erreichen, nicht auf. Während er in Polen den Jesuiten freie Hand gegen die Dissidenten ließ, wie dies am grellsten bei dem sog. Thorner Blutbad hervortrat, suchte er auch den Kaiser durch das Versprechen der Garantie der pragmatischen Sanction zu gewinnen. Aber gewohnt, auch in der Politik nur ein frivoles Intriguenspiel zu sehen, ähnlich dem, wie es in den Liebesabenteuern seines Hofes gespielt wurde, unterhandelte er gleichzeitig auch mit den Gegnern des Kaisers und bot zuletzt sogar Preußen und Oesterreich gegen Unterstützung der Erblichkeit eine Theilung Polens an, wonach jenes Polnisch-Preußen, einen Theil Großpolens und Kurlands, dieses die Zips erhalten sollte, aber diese [784] Pläne durchschnitt sein Tod. Nachdem er in Nachäffung der zu Berlin gesehenen Heerschau mit unsinniger Pracht 1730 das berühmte große Campement bei Zeithain und Mühlberg veranstaltet hatte, starb er am 1. Februar 1733 zu Warschau. Für Sachsen war Friedrich’s Regierung in hohem Grade verderblich nicht blos durch die systematische Aussaugung des Landes, sondern ebensosehr durch die willkürlichen Eingriffe in die Verfassung und die Verderbtheit des Hoflebens. Die ungeheuren Summen, welche die Erwerbung und Behauptung der polnischen Krone, die unsinnige Pracht und Verschwendung des Hofes verschlang, mußten durch die bedenklichsten Finanzmaßregeln, selbst durch Verkauf oder Verpfändung von Gebietstheilen beschafft werden. Die Sitten der höheren Stände lockerten sich durch das Beispiel sinnlicher Ausschweifungen, welches der unablässig mit seinen Maitressen wechselnde König gab. Die Kessel, Aurora v. Königsmark, die Gräfin Esterle, die Türkin Fatime (Frau Spiegel), die Fürstin Lubomirska (Reichsfürstin von Teschen), die Cosel, die Duval, die Renard, die Tänzerin Duparc, die Dönhoff, Osterhausen, Dieskau u. a. erfreuten sich der Reihe nach seiner Gunst und gaben ihm eine Schaar natürlicher Kinder, während er von seiner Gemahlin nur einen Sohn, seinen Nachfolger, hatte. Dennoch hat F. A. durch die von ihm geübte Begünstigung der Künste seiner Regierung einen Mit- und Nachwelt blendenden Glanz verliehen. Wennschon er selbst ohne edleren Kunstsinn war, vielmehr in den Künsten nur die Mittel zur Erhöhung des Lebensgenusses und zur Befriedigung seiner Eitelkeit sah, unternahm er es, seine Residenz durch eine Reihe von Prachtbauten den von ihm bewunderten Hauptstädten des Südens ebenbürtig zu machen. Ein französisches Theater und eine italienische Oper wurden errichtet, die Dresdner Kapelle zählte bedeutende Künstler, das Leben am Hofe bildete eine fast nie abreißende Kette von glänzenden Festlichkeiten, an denen F. A., ein Feind langweiliger Etikette, auch das Volk theilnehmen zu lassen liebte; aber doch kann dieser Schimmer nicht täuschen über die tiefe Unsittlichkeit, welche den Grundzug seines privaten, wie öffentlichen Lebens bildet.

D. Faßmann, Glorwürdigstes Leben und Thaten Friedrich Augusts des Großen etc., Hamburg 1733, vermehrt von J. G. Horn, Frankfurt 1734. – (J. F. de Wolframsdorf,) Portrait de la Cour de Pologne (auch u. d. T. Charactères de la Cour de Saxe), Cologne 1739. – Pöllnitz, La Saxe galante, erzählt romanhaft und unzuverlässig Friedrich Augusts Liebesaffairen. – F. Förster, Die Höfe und Cabinette Europas im achtzehnten Jahrhundert, 1839, 3. Band. – A. Theiner, Gesch. der Zurückkehr der Häuser Braunschweig und Sachsen in den Schooß der katholischen Kirche, 1843, womit zu vergl. W. G. Soldan, Dreißig Jahre des Proselytismus in Sachsen und Braunschweig, 1845.